Wir vergessen zu oft, dass die Patient*innenreise weit vor den Klinikpforten beginnt und erst lange hinter ihnen aufhört.

Die japanischen Konzepte des Raums und ihre Implikationen für das Gesundheitswesen

In einem Artikel von Quartz werden verschiedene japanische Konzepte des Raums erläutert, die einen neuen Blick auf die Welt und insbesondere auf die Gestaltung von Heilungsprozessen im Gesundheitswesen ermöglichen könnten. Diese Konzepte betonen, dass Heilung nicht nur durch Sicherheit und einzelne Geräte beeinflusst wird, sondern auch stark von der gesamten Umgebung, in der sich Patient*innen und Gesundheitspersonal befinden, abhängt.

Wir vergessen zu oft, dass die Patient*innenreise weit vor den Klinikpforten beginnt und erst lange hinter ihnen aufhört.
Wir vergessen zu oft, dass die Patient*innenreise weit vor den Klinikpforten beginnt und erst lange hinter ihnen aufhört.

Wir vergessen zu oft, dass die Patient*innenreise weit vor den Klinikpforten beginnt und erst lange hinter ihnen aufhört.

  1. Relationale Räume (Wa): Wa bezieht sich auf das Bewusstsein für zwischenmenschliche Verbindungen und wird oft mit der Bewegung der Luft verglichen. Jeder Raum hat eine bestimmte Qualität, die die Art der Beziehungen beeinflusst, die dort entstehen. Im Gesundheitswesen könnte dieses Konzept dazu beitragen, Räume so zu gestalten, dass sie förderliche Beziehungen zwischen Patient*innen, Ärzt*innen und Pflegepersonal ermöglichen, was wiederum den Heilungsprozess unterstützen kann. Beispielsweise könnte ein Wartezimmer in einer Klinik so gestaltet werden, dass es nicht nur funktionell ist, sondern auch eine beruhigende Atmosphäre schafft, die Patient*innen und ihre Angehörigen emotional unterstützt.
  2. Wissensmobilisierende Räume (Ba): Ba beschäftigt sich mit der Anordnung von Elementen, um Verbindungen zu schaffen, die neues Wissen oder Erfahrungen fördern. Dieses Prinzip könnte im Gesundheitswesen angewendet werden, um interdisziplinäre Teams zu fördern und einen Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen verschiedenen Fachbereichen zu ermöglichen. In einem Krankenhaus könnte dies bedeuten, dass Räume so gestaltet werden, dass sie natürliche Begegnungspunkte für Fachkräfte verschiedener Disziplinen bieten, um Wissenstransfer und kollaboratives Arbeiten zu erleichtern.
  3. Standort (Tokoro): Tokoro bezieht sich auf den Ort oder die Lage, ist aber auch mit dem Zustand des Seins verbunden. Im Kontext des Gesundheitswesens bedeutet dies, dass die physische Umgebung eines Krankenhauses oder einer Praxis nicht nur ein Ort der Behandlung ist, sondern auch kulturelle, soziale und historische Bedeutungen trägt, die den Heilungsprozess beeinflussen können. Dies könnte bedeuten, dass Krankenhäuser und Kliniken so gestaltet werden, dass sie nicht nur funktional sind, sondern auch eine Verbindung zur lokalen Gemeinschaft und Umgebung herstellen, um ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Wohlbefindens zu fördern.
  4. Negativer Raum (Ma): Ma wird oft als negativer Raum übersetzt, bezieht sich aber auf Freiräume, die das Nebeneinander von Unterschiedlichem ermöglichen. In der Gesundheitspflege könnte das Design von Räumen, die Ruhe und Reflexion ermöglichen, dazu beitragen, den Stress für Patientinnen und Personal zu reduzieren und einen Raum für Heilung und Erholung zu schaffen. Beispielsweise könnten in einem Krankenhaus Bereiche geschaffen werden, die Ruhe und Entspannung fördern, wie Gärten oder Meditationsräume, die Patientinnen und Personal gleichermaßen zur Verfügung stehen.

Für Innovatoren im Gesundheitswesen bietet die Berücksichtigung dieser Raumkonzepte die Möglichkeit, über die reine Funktionalität von Räumen hinauszugehen und Heilungsprozesse in einer umfassenderen und ganzheitlicheren Art und Weise zu unterstützen. Indem Räume so gestaltet werden, dass sie positive zwischenmenschliche Beziehungen fördern, Wissenstransfer erleichtern, den Kontext und die Geschichte des Ortes einbeziehen und Ruhezonen schaffen, können sie dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Genesung der Patient*innen sowie das Arbeitsumfeld des Gesundheitspersonals wesentlich zu verbessern.

Die Integration dieser Konzepte in die Planung und Gestaltung von Gesundheitseinrichtungen könnte eine tiefgreifende Veränderung in der Art und Weise bewirken, wie Patient*innen und Fachkräfte Räume erleben und nutzen, was letztlich zu einer verbesserten Gesundheitsversorgung und Patientenerfahrung führen könnte.


KI im Gesundheitswesen: Eine Analyse der Dynamik zwischen KI und Fachkräften

Was sind die Auswirkungen von KI auf Ärzt*innen?

In einem Artikel von The Economist wird die Auswirkung Künstlicher Intelligenz (KI) auf verschiedene Berufsfelder und die damit verbundene Gehaltsentwicklung untersucht. Für Gesundheitsfachkräfte, insbesondere Ärzt*innen, bietet diese Analyse wichtige Einblicke in die zukünftige Dynamik ihres Berufsfeldes.

Die KI-Technologie, noch in ihren Kinderschuhen, hat bereits in einigen Branchen signifikante Veränderungen herbeigeführt. In der Übersetzungsbranche beispielsweise haben Sprachmodelle die Rolle von Übersetzern verändert, sodass sie nun mehr als Korrekturleser denn als Erstübersetzer fungieren. Im Kund*innenservice hat KI die Leistungsfähigkeit von weniger qualifizierten Mitarbeiter*innen erhöht. Im Verkauf jedoch hat sich gezeigt, dass Spitzenkräfte KI nutzen, um ihre Leistung weiter zu steigern und sich von ihren Kolleg*innen abzuheben.

Die Medizin wird nicht viel anders sein als andere Industrien

Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass KI im Gesundheitswesen ähnliche Trends hervorrufen könnte. KI könnte Routineaufgaben übernehmen und so Ärzten ermöglichen, sich auf komplexere und anspruchsvollere Fälle zu konzentrieren. Dies könnte einerseits dazu führen, dass die Anforderungen an medizinische Fachkräfte steigen und damit auch ihre Fachkompetenz und ihr Gehalt. Andererseits könnte die KI auch weniger qualifizierte Gesundheitsarbeiter*innen unterstützen, indem sie ihnen hilft, effizienter zu arbeiten und ihre Fähigkeiten zu verbessern.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Auswirkungen der KI auf das Gesundheitswesen komplex sind. Während einige Routineaufgaben automatisiert werden können, bleiben die empathischen und zwischenmenschlichen Aspekte der Patient*innenversorgung weiterhin unersetzlich. Darüber hinaus erfordert die Integration von KI in die medizinische Praxis eine sorgfältige Abwägung ethischer Überlegungen, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Patient*innensicherheit.

Ärztliche Weiterbildung im KI-Zeitalter

Langfristig könnte die KI das Gesundheitswesen revolutionieren, indem sie Ärzt*innen ermöglicht, effizienter zu arbeiten, Diagnosen zu verbessern und personalisierte Behandlungspläne zu erstellen. Dies könnte die Qualität der Patient*innenversorgung verbessern und gleichzeitig die Arbeitsbelastung für Ärzt*innen reduzieren. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich diese Technologien weiterentwickeln und wie sie letztlich in die medizinische Praxis integriert werden. Für Gesundheitsfachkräfte ist es wichtig, sich mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen und sich kontinuierlich weiterzubilden, um die Vorteile der KI voll ausschöpfen zu können.

Hier ist der Economist Artikel: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/11/16/what-will-artificial-intelligence-mean-for-your-pay


Kontinuierliche Daten: Der Schlüssel zur Transformation medizinischer Diagnostik und Behandlung

Die medizinische Landschaft steht an der Schwelle einer Revolution, angeführt von der kontinuierlichen Datenerfassung, die unser Verständnis und unsere Reaktionsfähigkeit auf gesundheitliche Veränderungen dramatisch verbessern wird. Ein prominenter Vertreter dieses Wandels sind die kontinuierlichen Glukosemonitore (CGMs), die trotz anfänglicher Skepsis wegen ihrer Ungenauigkeit im Vergleich zu traditionellen Fingerstichmessungen an Bedeutung gewinnen. Es ist die Fähigkeit dieser Technologie, Trends zu erkennen und Einblicke in die Glukoseschwankungen über den Tag zu gewähren, die ihren wahren Wert ausmacht.

Die Herausforderung besteht darin, die Macht der kontinuierlichen Überwachung zu erkennen und zu nutzen. Die Kritik, dass CGMs für Nicht-Diabetiker Zeitverschwendung seien, beruht auf einer verkürzten Perspektive, die die Vorteile von Trendanalysen und Echtzeitdaten unterschätzt. Die herkömmlichen Messungen, wie Nüchternblutzucker oder HbA1c-Werte, geben nur eine Momentaufnahme und können irreführend sein, da sie mögliche Glukoseschwankungen während des Tages nicht erfassen.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass etwa ein Drittel der Personen, deren HbA1c-Werte auf einen normalen Blutzuckerspiegel hindeuten, in Wahrheit eine hohe Variabilität aufweisen. Diese Variabilität ist entscheidend, denn Studien haben eine hohe Glukosevariabilität mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer, Frailty und Tod in Verbindung gebracht. Selbst bei als normal eingestuften Glukosespiegeln können regelmäßige Überschreitungen der optimalen Werte auf lange Sicht gesundheitsschädlich sein.

Die Forschung zeigt, dass selbst geringe Hyperglykämien, die in der herkömmlichen Diagnostik möglicherweise unentdeckt bleiben, das Risiko für Atherosklerose erhöhen können. CGMs ermöglichen die Identifizierung solcher Episoden und bieten die Möglichkeit, frühzeitig Interventionen einzuleiten. Diese kontinuierliche Überwachung und Datenerfassung wird noch verstärkt durch den Einsatz von KI und die Speicherung von Daten in der Cloud, wodurch Muster und Trends erkannt und präventive Maßnahmen entwickelt werden können.

Die Verwendung von CGMs als Beispiel illustriert, wie die kontinuierliche Überwachung das Potenzial hat, das Feld der Diagnostik und Behandlung zu transformieren. Was ursprünglich als Ergänzung zur herkömmlichen Medizin angesehen wurde, erweist sich zunehmend als integraler Bestandteil eines proaktiven Gesundheitsmanagements. Ärzte und Gesundheitsspezialisten müssen sich von eingefahrenen Praktiken lösen und die Vorteile dieser Technologien anerkennen, die es ermöglichen, über episodische Tests hinauszugehen und ein kontinuierliches, umfassendes Bild der Patientengesundheit zu erhalten.

Die kontinuierliche Überwachung ist kein Ersatz für traditionelle Methoden, sondern eine Erweiterung, die es ermöglicht, präzisere und personalisierte Gesundheitspläne zu erstellen. Sie ist der Schlüssel zu einer präventiven Medizin, die nicht nur darauf abzielt, Krankheiten zu behandeln, wenn sie auftreten, sondern das Auftreten von Krankheiten von vornherein zu verhindern. In einer Welt, in der das Gesundheitswesen zunehmend von großen Datenmengen und deren Analyse abhängig ist, wird die kontinuierliche Datenerfassung unverzichtbar für die Gestaltung der medizinischen Zukunft sein.

Hier ist ein interessanter Artikel zu den CGMs von Peter Attia: https://peterattiamd.com/are-continuous-glucose-monitors-a-waste-of-time-for-people-without-diabetes/ 


Biotechnologie im Tech-Aufschwung – eine Synthese der Perspektiven

Jorge Conde und Jay Rughani von Andreessen Horowitz stellen fest, dass, entgegen dem oft zitierten Eroom's Law, die Biotechnologie durch die Verdoppelung der von der FDA genehmigten Medikamente zwischen 2010 und 2019 einen deutlichen Fortschritt erzielt hat. Sie argumentieren, dass die Biotechnologie momentan eine technologische Renaissance erlebt, die über traditionelle Verfahren wie rekombinante DNA hinausgeht und nun fortschrittliche biologische Engineering-Tools und Software einschließt.

Insbesondere die Rolle der Software in der Biotechnologie wird hervorgehoben. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und spezialisierten Software-as-a-Service (SaaS)-Werkzeugen hat das Potenzial, wie Medikamente entdeckt, entwickelt und vertrieben werden, grundlegend zu verändern. Die Autoren sehen die Zukunft in SaaS-Tools, die speziell für die Biotechnologie entwickelt wurden und von Gründern geführt werden, die sowohl in der Technik als auch in der Biotechnologie bewandert sind.

Conde und Rughani skizzieren, wie diese Werkzeuge durch Netzwerkeffekte an Wert gewinnen, indem sie neue Nutzer hinzufügen und mehr Daten verarbeiten. Sie betonen, dass es für die meisten Biotechnologie-Unternehmen ineffizient wäre, interne Tools zu entwickeln, die mit diesen spezialisierten Angeboten konkurrieren könnten.

Die Entdeckung neuer Medikamente umfasst kontinuierliche Zyklen von Experimenten, Analysen und Iterationen, wobei immer komplexere Datenmengen verarbeitet werden müssen. Im Bereich der Entwicklung neuer Medikamente betonen sie die Notwendigkeit einer technischen Überholung der klinischen Studieninfrastruktur. Software kann dabei helfen, Inventar und Lieferketten zu organisieren und neue Modelle wie dezentralisierte oder virtuelle Studien zu ermöglichen.

Für die Verteilung von Medikamenten beschreiben die Autoren, wie SaaS-Tools die Hersteller bei der Verwaltung komplexer Lieferketten unterstützen und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen sicherstellen können. Unternehmen wie Veeva, Benchling und Komodo haben als Pioniere der Biotech-SaaS diesen Trend angeführt und bleiben wichtige Stützen im Technologiestapel der Biotechnologie.

Abschließend fordern Conde und Rughani diejenigen, die in diesem Bereich tätig sind oder gerade erst beginnen, auf, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, da sie auch nach Möglichkeiten suchen, mehr zu erreichen. Sie betonen, dass Biotechnologie schwierig ist und dass eine genaue Kenntnis der Biologie sowie der Softwaretechnik erforderlich ist, um erfolgreich zu sein. Sie warnen vor den Herausforderungen beim Aufbau solcher Unternehmen und betonen gleichzeitig das Potenzial, durch den Erfolg in dieser vertikalen SaaS-Nische die moderne biotechnologische Technologielandschaft maßgeblich zu prägen.

Hier ist der Original-Artikel: https://a16z.com/doing-more-with-moore-biotechs-tech-moment/ 


Digitalisierung und das Gesundheitswesen

In einem Artikel, den ich gemeinsam mit Monika Rimmele verfasst habe, diskutieren wir die Umgestaltung unseres Gesundheitssystems durch die Digitalisierung. Mit dem Beginn des Jahres haben in Deutschland Versicherte nun ein Recht auf eine elektronische Patientenakte (ePA), was wir als ersten Schritt in die richtige Richtung sehen. Allerdings betonen wir, dass dies nur der Anfang sein sollte. Unser Ziel ist es, das bestehende reaktive "Krankheitsverwaltungssystem" in ein proaktives "Gesundheitssystem" zu transformieren, das Krankheiten möglichst verhindert oder frühzeitig behandelt, die Effizienz des Gesundheitswesens steigert und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessert.

Wir argumentieren, dass für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem eine longitudinale "digitale Gesundheitsakte" erforderlich ist, die ein Individuum von der Geburt bis zum Tod begleitet und umfassende Gesundheits- und Krankheitsdaten enthält. Intelligente Algorithmen könnten diese Daten nutzen, um Prävention, Diagnose und Behandlung kontinuierlich zu verbessern.

Die aktuelle ePA ist ein guter Anfang, jedoch nicht ausreichend für ein intelligentes Gesundheitssystem. Um dies zu erreichen, benötigen wir robuste, strukturierte medizinische Daten und eine IT-Architektur, die auf international anerkannten Standards basiert. Die Qualität dieser Daten wird die Qualität des lernenden Gesundheitssystems maßgeblich beeinflussen.

Ein wichtiger Aspekt ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die digitale Erfassung ihrer Gesundheitsdaten. Applikationen und Daten müssen rigorosen Qualitätsanforderungen entsprechen. Eine longitudinale Gesundheitsakte, die auf der europäischen Datenschutzgrundverordnung und unseren Werten basiert, wird die Bürgerinnen und Bürger zum aktiven Verwalter ihrer eigenen Gesundheit machen. "Empowerment" und erlernte Gesundheitskompetenz sind hierfür essentiell.

Abschließend rufen wir dazu auf, den Begriff "Patientenakte" zu verlassen und stattdessen von einer "Gesundheitsakte" zu sprechen, die den Ausgangspunkt für eine selbstbestimmte Gesundheits- und Krankheitsverwaltung bildet.

Hier ist der vollständige Artikel: https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/fuer-ein-intelligentes-gesundheitssystem


Die Gesundheitsversorgung wird zum Verbraucherprodukt

Der Wandel im Gesundheitswesen, der durch neue technologische Entwicklungen vorangetrieben wird, ist das Thema eines kürzlich im The Economist erschienenen Artikels. Trotz der bekannten Schwierigkeiten, wie dem Fall von Theranos, zeichnet der Bericht ein vielversprechendes Bild des Gesundheitssektors, das durch einen Zustrom von Kapital und Innovationen geprägt ist. Auf der jährlichen Gesundheitskonferenz von JPMorgan Chase standen künstliche Intelligenz (KI), digitale Diagnostik und Telemedizin im Mittelpunkt des Interesses.

Die Gesundheitsversorgung, die derzeit 18% des BIP in den USA ausmacht, steht vor einem Paradigmenwechsel, bei dem Patienten zunehmend zu Verbrauchern werden. Durch wissenschaftliche Fortschritte in Bereichen wie der Genomsequenzierung und KI werden neue Betreuungsformen möglich. E-Apotheken, Wearables zur Gesundheitsüberwachung, Telemedizin-Plattformen und Heimtests ermöglichen eine direkte und kontrollierte Gesundheitsfürsorge.

Große Pharmaunternehmen wie Johnson & Johnson und GlaxoSmithKline, die traditionell mit Verbraucherprodukten wie Schmerzmitteln und Pflastern in Verbindung gebracht wurden, spalten ihre uninnovativen Verbraucherabteilungen ab, in der Hoffnung auf mehr Innovationskraft.

Große Technologieunternehmen wie Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft investieren Milliarden in Gesundheitsangebote und entwickeln medizinische Wearables und Cloud-basierte Dienste für die Gesundheitsdatenverarbeitung. Im Jahr 2022 werden voraussichtlich 320 Millionen medizinische Wearables ausgeliefert.

Gleichzeitig bringen Start-ups wie Truepill, Hims & Hers Health und Nurx Innovationen in den Online-Apothekenmarkt, während Firmen wie Teladoc in der Telemedizin florieren. Die Heimdiagnostik erfährt durch Start-ups wie Levels Health und Digbi Health eine Rehabilitation, die von der Pandemie und der Gewöhnung an Heimtests profitiert.

Trotz der vielversprechenden Fortschritte gibt es Herausforderungen für das Gesundheitswesen als Verbrauchermarkt. Regulierungsbehörden bemühen sich um schnellere Anpassungen, und es bleibt abzuwarten, wie sich datenschutzrechtliche Regelungen entwickeln werden. Trotz einiger Rückschläge ist die Richtung klar: Eine rückwärtsgewandte, paternalistische Gesundheitsfürsorge weicht einem Markt, in dem die Verbraucher eine aktivere Rolle spielen und Unternehmen dabei helfen, schneller zu genesen oder Krankheiten ganz zu vermeiden. Dies könnte eine negative Prognose für das traditionelle Krankenhauswesen bedeuten, aber für die meisten Menschen ist dies eine positive Entwicklung.

Hier der Link zum Artikel: https://www.economist.com/business/how-health-care-is-turning-into-a-consumer-product/21807114


Kommerzialisierung von KI im Gesundheitswesen: Die Perspektive der Enterprise Käufer 

Jay Rughani und Julie Yoo von Andreessen Horowitz bieten in ihrer Analyse zur Kommerzialisierung von KI im Gesundheitswesen einen tiefen Einblick in die Entscheidungsfindung von Enterprise käufern. Sie betonen, dass beim Evaluieren von KI-Produkten nicht die Technologie an sich im Vordergrund steht, sondern die Lösung eines konkreten Problems – und dies auf eine kosteneffektive Weise.

Die Autoren legen dar, dass Verkäufe an Unternehmen daran gebunden sind, den richtigen Ansprechpartner innerhalb der Organisation zu finden – jemanden, der das Problem versteht, dafür verantwortlich gemacht wird und über das Budget zur Lösung verfügt. Es geht darum, Verständnis für den Entscheidungsweg des Käufers zu entwickeln, sei es der Vergleich von Eigenentwicklung gegenüber dem Zukauf oder die Erwägung alternativer Lösungen.

Rughani und Yoo unterstreichen die Wichtigkeit, eine klare ROI (Return on Investment)-Argumentation und KPIs (Key Performance Indicators) zu definieren, die mit den Prioritäten der Käufer übereinstimmen. Die Integration der Lösung in den Workflow des Anwenders und die Minimierung von Einarbeitungszeit sind ebenfalls entscheidend.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Qualität der Daten und die Berücksichtigung von Sicherheits- und Datenschutzbedenken bei KI-Produkten von größter Bedeutung sind. Dabei betonen sie, dass Verkäufer transparent darlegen müssen, warum sie bestimmte Daten benötigen und welchen Mehrwert der Kunde daraus zieht.

Beim Thema Preisgestaltung und Paketierung von KI-Lösungen diskutieren Rughani und Yoo verschiedene Ansätze, die von traditioneller Preisbildung über API-basierte Preismodelle bis hin zu SaaS-Abonnements reichen. Ein innovatives Modell ist die Vorstellung, KI als „Mitarbeiter“ einzustellen, die zu einem Bruchteil der Kosten von menschlichem Personal arbeiten.

Abschließend betonen die Autoren die Bedeutung eines „Moats“, also einer Verteidigungslinie, die das Geschäftsmodell langfristig vor Konkurrenz schützt. Dabei kann es sich um Kapital, Technologie, Daten oder eine starke Marktpositionierung handeln. Die stärksten Verteidigungen im Gesundheitswesen ergeben sich aus einer festen Marktpositionierung, die mit den Kunden erreicht wird.

Die Schlussfolgerung von Rughani und Yoo ist klar: Auch die besten KI-Modelle scheitern ohne breite Distribution und profitable Monetarisierung. Daher ist es entscheidend, die Denkweise der Käufer und Entscheidungsträger zu verstehen, die über das Schicksal der Produkte entscheiden werden. Sie glauben, dass die besten Entwickler von KI-Lösungen für das Gesundheitswesen nicht nur die neuesten Fortschritte in der KI-Technologie nutzen, sondern vor allem auch wissen, wie sie ein Produkt mit einer dauerhaften Go-to-Market-Strategie kommerzialisieren können.

Hier ist der lesenswerte vollständige Artikel: https://a16z.com/commercializing-ai-in-healthcare-the-enterprise-buyer-perspective/ 


Gesundheitsdaten gehen über Krankendaten hinaus.

Die digitale Transformation des Gesundheitswesens: Eine essentielle Erweiterung der Patientenakte

In einem Artikel, den ich gemeinsam mit Monika Rimmele verfasst habe und der auf Handelsblatt veröffentlicht wurde, diskutieren wir die begrenzte Reichweite der elektronischen Patientenakte (ePA) in Deutschland. Wir argumentieren, dass die ePA ein wichtiger Schritt ist, aber sie berücksichtigt nicht die Determinanten der Gesundheit, die bis zu 70% unserer Gesundheit ausmachen. Diese Determinanten umfassen Faktoren wie frühkindliche Entwicklung, Bildung, Arbeitsbedingungen, Ernährung und Wohnsituation.

Unser derzeitiges Gesundheitssystem, das auf dem biomedizinischen Modell basiert, konzentriert sich hauptsächlich auf klar definierbare Ursachen und medizinische Interventionen, vernachlässigt jedoch die Vielfalt der Faktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen. Dies führt zu einem reaktiven Ansatz, der sich auf die Behandlung bereits ausgebrochener Krankheiten konzentriert, statt auf Prävention und Lebensstilinterventionen.

Gesundheitsdaten gehen über Krankendaten hinaus.
Gesundheitsdaten gehen über Krankendaten hinaus.

Wir betonen, dass das Gesundheitssystem angesichts einer alternden Bevölkerung und der Zunahme chronischer Krankheiten und Multimorbiditäten einer steigenden Nachfrage gerecht werden muss. Neue Therapeutika und Diagnostika helfen zwar, Leid zu reduzieren, aber um die steigenden Kosten für die Allgemeinheit zu bewältigen und die gesundheitliche Ungleichheit anzugehen, müssen wir über den biomedizinischen Ansatz hinausblicken.

In jüngerer Zeit hat sich der Ansatz, gezielt auf soziale (und weiterer) Determinanten einzuwirken, in Europa neuer Beliebtheit erfreut. "Soziale Verschreibungen" wie gemeinsamer Sport in der Gruppe oder koordinierte Besuche von Senioren und einsamen Menschen sind Beispiele für nicht-biomedizinische Lösungen, die die Gesundheit der Bevölkerung verbessern können.

Wir fordern, dass neben Patienten- und Krankheitsdaten auch Gesundheitsdaten und soziale Determinanten in die Gesundheitsakte aufgenommen werden. Internationale Standards wie Snomed CT, die soziale Determinanten der Gesundheit integrieren, und die zunehmende Beliebtheit tragbarer Sensoren bieten bereits ein Fundament dafür.

Schließlich machen wir darauf aufmerksam, dass die Realisierung eines intelligenten, lernenden Gesundheitswesens keine Utopie mehr ist. Dafür ist eine gründliche Planung, eine solide Datenstrategie, ein erlaubender Datenschutz und der gezielte Aufbau von Gesundheitskompetenz für alle Bürgerinnen und Bürger notwendig.

Hier ist der Original-Artikel: https://www.handelsblatt.com/inside/digital_health/soziale-determinanten-der-patientenakte-fehlen-70-prozent-unserer-gesundheit/26948810.html 


Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen: Eine Revolution steht bevor

Daisy Wolf und Vijay Pande von Andreessen Horowitz beleuchten in ihrer Analyse, warum die Künstliche Intelligenz (KI) die größte Wirkung im Gesundheitswesen haben wird. Sie illustrieren dies anekdotisch anhand einer Einladung zu einem Panel, das die Integration von KI mit Faxgeräten im Gesundheitswesen diskutieren sollte – ein vermeintlich veralteter Ansatz, der jedoch tiefergehende Schlüsse über die Branche zulässt.

Das Gesundheitswesen, das 20% der amerikanischen Wirtschaft ausmacht, hat bisher nur zögerlich Technologien angenommen. Doch Wolf und Pande argumentieren, dass sich dies ändern wird, ähnlich wie in Schwellenländern, die von Bargeld direkt zu mobilen Zahlungen übergingen, ohne die Kreditkarte zu nutzen ("Leapfrogging"). Sie prognostizieren, dass das Gesundheitswesen direkt von Faxgeräten zu KI-basierten Technologien übergehen wird, ohne die traditionelle Unternehmenssoftware als Zwischenschritt.

Sie sehen in der KI die Fähigkeit, die Arbeit von Gesundheitsfachkräften zu übernehmen und diese dadurch zu entlasten, sodass sie sich auf komplexere Probleme konzentrieren können. Dabei betonen sie, dass eine neue Technologie um ein Zehnfaches besser sein muss, um die alte zu verdrängen – eine Hürde, die die Unternehmenssoftware nicht überschritten hat, die KI jedoch spielend meistert.

Die Revolution beginnt mit nicht-klinischen Anwendungsfällen wie Callcentern, Terminplanung und medizinischer Abrechnung. Aber auch die klinische Revolution steht kurz bevor, mit KIs, die ärztliche Prüfungen bestehen und Röntgenbilder lesen können. Bald könnte die Genauigkeit der KI bei Diagnosen und Behandlungsempfehlungen die des Menschen übersteigen. Jeder Arzt wird einen KI-Co-Piloten zur Seite haben, und regulatorische Wege für klinische KI-Anwendungen sind bereits vorhanden.

Dies ist für jeden Menschen auf dem Planeten ungemein aufregend. Die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen liegen in der Zugänglichkeit und den Kosten. KI wird beides adressieren: Menschen werden schnelleren Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung haben und KI wird die Kosten senken, indem sie menschliche Dienstleistungen durch KI-unterstützte Dienste ersetzt. Dies könnte zu einer Zukunft führen, in der sich jeder erstklassige medizinische Versorgung leisten kann und medizinische Schulden nicht mehr die Hauptursache für Insolvenzen sind.

Abschließend rufen Wolf und Pande Skeptiker dazu auf, eine bessere Branche zu finden, in der KI die zwei größten Herausforderungen lösen und dabei unzählige Leben retten kann. Sie sind überzeugt, dass das Gesundheitswesen der nächste Horizont ist und investieren in eine Zukunft, in der Geschichten über Faxgeräte nur noch den Enkelkindern erzählt werden.
Quelle: https://a16z.com/where-will-ai-have-the-biggest-impact-healthcare/


Jahrelang wurden Projektionen steigender Kosten im Gesundheitswesen propagiert, getrieben durch Extrapolation neuer teurer Diagnostika und Therapien — kostensenkende Faktoren wurden oftmals ignoriert.

Kosten im Gesundheitswesen: Der unerwartete Stillstand

Laut einem Artikel des Economist hat sich eine langjährige Annahme im Gesundheitssektor als falsch erwiesen: Die Kosten im Gesundheitswesen steigen nicht länger unaufhaltsam an. In der Vergangenheit verschlang der Gesundheitssektor einen immer größer werdenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den USA stieg der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP von 5% im Jahr 1950 auf 17% im Jahr 2009. Ähnliche Trends waren weltweit zu beobachten. Doch dieser Trend hat sich überraschend umgekehrt.

Trotz alternder Bevölkerungen und der anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nimmt der Gesundheitssektor nicht mehr die Wirtschaft in Beschlag. Im reichen Teil der Welt ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP seit 2020 nahezu auf das Niveau von 2008 zurückgegangen. Dies hat zu einer erheblichen Kosteneinsparung geführt – etwa 2 Billionen Dollar unter dem Trend vor 2009.

Jahrelang wurden Projektionen steigender Kosten im Gesundheitswesen propagiert, getrieben durch Extrapolation neuer teurer Diagnostika und Therapien — kostensenkende Faktoren wurden oftmals ignoriert.
Jahrelang wurden Projektionen steigender Kosten im Gesundheitswesen propagiert, getrieben durch Extrapolation neuer teurer Diagnostika und Therapien — kostensenkende Faktoren wurden oftmals ignoriert.

In einigen Ländern wie Australien und Schweden ist das Verhältnis von Gesundheitsausgaben zum BIP sogar zurückgegangen. In Norwegen fiel es seit 2016 um bemerkenswerte 2,5 Prozentpunkte. Sogar in den USA, bekannt für hohe Gesundheitskosten, zeigt eine neue Maßnahme des Bureau of Economic Analysis, dass der Anteil der Ausgaben für Gesundheitspflege seit vor der Pandemie fällt.

Die einst inflationäre Gesundheitsbranche zeigt nun eine Inflation, die sich eher im normalen Bereich bewegt. Die allgemeinen Gesundheitspreise in Amerika, die nicht nur direkt von den Verbrauchern gekaufte Waren, sondern auch von Dritten wie Versicherungen bezahlte Dienstleistungen umfassen, stiegen von den 1970er bis in die 2000er Jahre jährlich über dem Durchschnitt an. Um 2010 kehrte sich dieser Trend um – und das trifft auch auf andere Regionen zu. Im Vergleich zum "BIP-Deflator", einem gesamtwirtschaftlichen Inflationsmaß, ist der Deflator im Gesundheits- und Sozialwesen weltweit kaum gestiegen.

Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als frühere Warnungen einen anderen Trend vorausgesagt hatten. Präsident Barack Obama erklärte 2009, dass das Gesundheitsproblem Amerikas gleichbedeutend mit einem Defizitproblem sei. Die britische Finanzaufsicht warnte 2017 vor einem zusätzlichen Schuldenanstieg um 90% des BIPs bis zu den 2060er Jahren aufgrund von "übermäßigem Kostenwachstum" im Gesundheitswesen. Doch diese Prognosen scheinen nun übertrieben.

Zu den Faktoren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, gehören Verbesserungen auf der Angebotsseite wie Produktivitätssteigerungen im Gesundheitswesen, die normalerweise schwer zu erzielen sind, da es sich um eine arbeitsintensive Dienstleistung handelt. Doch es gab Fortschritte. In den USA und Großbritannien hat sich die Arbeitsproduktivität im Gesundheitswesen und in der sozialen Betreuung seit 2000 deutlich verbessert.

Technologische Veränderungen spielen ebenfalls eine Rolle. Langfristig haben Innovationen die Gesundheitskosten in der Regel erhöht, da sie Behandlungen für zuvor unheilbare Krankheiten ermöglichten. Doch die Art der Innovationen könnte sich nun in Richtung präventiver Maßnahmen verschieben, was langfristig kostensenkend wirken könnte.

Auch Nachfragefaktoren tragen zur Kostendämpfung bei. In Amerika hat der Affordable Care Act (ACA) von 2010 den Rückgang der Kosten verstärkt, indem er die Erstattungsregeln der Regierung verschärfte und unnötige Behandlungen erschwerte. In Europa haben viele Regierungen nach der Finanzkrise 2007-09 Sparmaßnahmen eingeleitet, darunter Lohnbegrenzungen und Dienstleistungskürzungen.

Ein weiterer Nachfragefaktor ist das insgesamt schwächere Wirtschaftswachstum. Gesundheitsversorgung ist ein "superiores Gut". Wenn das Einkommen der Menschen steigt, steigt ihre Nachfrage nach Gesundheitsversorgung überproportional an. Da das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in der reichen Welt seit 2008 deutlich langsamer ist, erklärt dies zu 40-60% die Abflachung der Kostenkurve.

Die Zukunft der Gesundheitskosten bleibt ungewiss. Eine alternde Bevölkerung wird die Nachfrage weiter erhöhen, während die Inflation Reduction Act in Amerika die Preise für Medikamente zu senken versucht. Was jedoch klar ist: Gesundheitskosten müssen nicht zwangsläufig die Wirtschaft verschlingen.
Hier ist der spannende Artikel: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/10/26/how-health-care-costs-stopped-rising