Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen: Eine Revolution steht bevor
Daisy Wolf und Vijay Pande von Andreessen Horowitz beleuchten in ihrer Analyse, warum die Künstliche Intelligenz (KI) die größte Wirkung im Gesundheitswesen haben wird. Sie illustrieren dies anekdotisch anhand einer Einladung zu einem Panel, das die Integration von KI mit Faxgeräten im Gesundheitswesen diskutieren sollte – ein vermeintlich veralteter Ansatz, der jedoch tiefergehende Schlüsse über die Branche zulässt.
Das Gesundheitswesen, das 20% der amerikanischen Wirtschaft ausmacht, hat bisher nur zögerlich Technologien angenommen. Doch Wolf und Pande argumentieren, dass sich dies ändern wird, ähnlich wie in Schwellenländern, die von Bargeld direkt zu mobilen Zahlungen übergingen, ohne die Kreditkarte zu nutzen ("Leapfrogging"). Sie prognostizieren, dass das Gesundheitswesen direkt von Faxgeräten zu KI-basierten Technologien übergehen wird, ohne die traditionelle Unternehmenssoftware als Zwischenschritt.
Sie sehen in der KI die Fähigkeit, die Arbeit von Gesundheitsfachkräften zu übernehmen und diese dadurch zu entlasten, sodass sie sich auf komplexere Probleme konzentrieren können. Dabei betonen sie, dass eine neue Technologie um ein Zehnfaches besser sein muss, um die alte zu verdrängen – eine Hürde, die die Unternehmenssoftware nicht überschritten hat, die KI jedoch spielend meistert.
Die Revolution beginnt mit nicht-klinischen Anwendungsfällen wie Callcentern, Terminplanung und medizinischer Abrechnung. Aber auch die klinische Revolution steht kurz bevor, mit KIs, die ärztliche Prüfungen bestehen und Röntgenbilder lesen können. Bald könnte die Genauigkeit der KI bei Diagnosen und Behandlungsempfehlungen die des Menschen übersteigen. Jeder Arzt wird einen KI-Co-Piloten zur Seite haben, und regulatorische Wege für klinische KI-Anwendungen sind bereits vorhanden.
Dies ist für jeden Menschen auf dem Planeten ungemein aufregend. Die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen liegen in der Zugänglichkeit und den Kosten. KI wird beides adressieren: Menschen werden schnelleren Zugang zu qualitativ hochwertiger Versorgung haben und KI wird die Kosten senken, indem sie menschliche Dienstleistungen durch KI-unterstützte Dienste ersetzt. Dies könnte zu einer Zukunft führen, in der sich jeder erstklassige medizinische Versorgung leisten kann und medizinische Schulden nicht mehr die Hauptursache für Insolvenzen sind.
Abschließend rufen Wolf und Pande Skeptiker dazu auf, eine bessere Branche zu finden, in der KI die zwei größten Herausforderungen lösen und dabei unzählige Leben retten kann. Sie sind überzeugt, dass das Gesundheitswesen der nächste Horizont ist und investieren in eine Zukunft, in der Geschichten über Faxgeräte nur noch den Enkelkindern erzählt werden.
Quelle: https://a16z.com/where-will-ai-have-the-biggest-impact-healthcare/
Kosten im Gesundheitswesen: Der unerwartete Stillstand
Laut einem Artikel des Economist hat sich eine langjährige Annahme im Gesundheitssektor als falsch erwiesen: Die Kosten im Gesundheitswesen steigen nicht länger unaufhaltsam an. In der Vergangenheit verschlang der Gesundheitssektor einen immer größer werdenden Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den USA stieg der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP von 5% im Jahr 1950 auf 17% im Jahr 2009. Ähnliche Trends waren weltweit zu beobachten. Doch dieser Trend hat sich überraschend umgekehrt.
Trotz alternder Bevölkerungen und der anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nimmt der Gesundheitssektor nicht mehr die Wirtschaft in Beschlag. Im reichen Teil der Welt ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP seit 2020 nahezu auf das Niveau von 2008 zurückgegangen. Dies hat zu einer erheblichen Kosteneinsparung geführt – etwa 2 Billionen Dollar unter dem Trend vor 2009.

In einigen Ländern wie Australien und Schweden ist das Verhältnis von Gesundheitsausgaben zum BIP sogar zurückgegangen. In Norwegen fiel es seit 2016 um bemerkenswerte 2,5 Prozentpunkte. Sogar in den USA, bekannt für hohe Gesundheitskosten, zeigt eine neue Maßnahme des Bureau of Economic Analysis, dass der Anteil der Ausgaben für Gesundheitspflege seit vor der Pandemie fällt.
Die einst inflationäre Gesundheitsbranche zeigt nun eine Inflation, die sich eher im normalen Bereich bewegt. Die allgemeinen Gesundheitspreise in Amerika, die nicht nur direkt von den Verbrauchern gekaufte Waren, sondern auch von Dritten wie Versicherungen bezahlte Dienstleistungen umfassen, stiegen von den 1970er bis in die 2000er Jahre jährlich über dem Durchschnitt an. Um 2010 kehrte sich dieser Trend um – und das trifft auch auf andere Regionen zu. Im Vergleich zum "BIP-Deflator", einem gesamtwirtschaftlichen Inflationsmaß, ist der Deflator im Gesundheits- und Sozialwesen weltweit kaum gestiegen.
Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als frühere Warnungen einen anderen Trend vorausgesagt hatten. Präsident Barack Obama erklärte 2009, dass das Gesundheitsproblem Amerikas gleichbedeutend mit einem Defizitproblem sei. Die britische Finanzaufsicht warnte 2017 vor einem zusätzlichen Schuldenanstieg um 90% des BIPs bis zu den 2060er Jahren aufgrund von "übermäßigem Kostenwachstum" im Gesundheitswesen. Doch diese Prognosen scheinen nun übertrieben.
Zu den Faktoren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben, gehören Verbesserungen auf der Angebotsseite wie Produktivitätssteigerungen im Gesundheitswesen, die normalerweise schwer zu erzielen sind, da es sich um eine arbeitsintensive Dienstleistung handelt. Doch es gab Fortschritte. In den USA und Großbritannien hat sich die Arbeitsproduktivität im Gesundheitswesen und in der sozialen Betreuung seit 2000 deutlich verbessert.
Technologische Veränderungen spielen ebenfalls eine Rolle. Langfristig haben Innovationen die Gesundheitskosten in der Regel erhöht, da sie Behandlungen für zuvor unheilbare Krankheiten ermöglichten. Doch die Art der Innovationen könnte sich nun in Richtung präventiver Maßnahmen verschieben, was langfristig kostensenkend wirken könnte.
Auch Nachfragefaktoren tragen zur Kostendämpfung bei. In Amerika hat der Affordable Care Act (ACA) von 2010 den Rückgang der Kosten verstärkt, indem er die Erstattungsregeln der Regierung verschärfte und unnötige Behandlungen erschwerte. In Europa haben viele Regierungen nach der Finanzkrise 2007-09 Sparmaßnahmen eingeleitet, darunter Lohnbegrenzungen und Dienstleistungskürzungen.
Ein weiterer Nachfragefaktor ist das insgesamt schwächere Wirtschaftswachstum. Gesundheitsversorgung ist ein "superiores Gut". Wenn das Einkommen der Menschen steigt, steigt ihre Nachfrage nach Gesundheitsversorgung überproportional an. Da das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in der reichen Welt seit 2008 deutlich langsamer ist, erklärt dies zu 40-60% die Abflachung der Kostenkurve.
Die Zukunft der Gesundheitskosten bleibt ungewiss. Eine alternde Bevölkerung wird die Nachfrage weiter erhöhen, während die Inflation Reduction Act in Amerika die Preise für Medikamente zu senken versucht. Was jedoch klar ist: Gesundheitskosten müssen nicht zwangsläufig die Wirtschaft verschlingen.
Hier ist der spannende Artikel: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/10/26/how-health-care-costs-stopped-rising
Kommerzialisierung von KI im Gesundheitswesen: Die Aufgaben, die es zu erledigen gilt (Jobs to be Done)
Jay Rughani, Daisy Wolf, Vijay Pande und Julie Yoo von Andreessen Horowitz skizzieren in ihrem Artikel die Herausforderungen und Chancen, die sich bei der Kommerzialisierung von KI im Gesundheitswesen bieten. Sie nutzen dabei den Ansatz "Jobs to be Done" (JTBD) nach Clay Christensen und bewerten sowohl potenzielle Produktansätze als auch Geschäftsmodelle, um die vielversprechendsten Anwendungen von KI im Unternehmensgesundheitswesen zu identifizieren. Dabei unterscheiden sie zwischen dem Einsatz von generativen KI-Modellen in Form von großen Sprachmodellen (LLMs) und traditionellem maschinellem Lernen (ML).
Die Autoren heben hervor, dass Unternehmensaufgaben im Gesundheitswesen besonders für KI geeignet sind, da sie auf der Synthese großer Mengen komplexer Daten basieren und oft arbeitsintensiv sind. Sie identifizieren Aufgaben, die sowohl klinischer als auch nicht-klinischer Natur sind und sowohl konsumenten- als auch profi-orientiert sein können. Jedes Feld auf ihrer Matrix repräsentiert eine Gelegenheit für ein Unternehmen, sich mit KI einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.
Die Auswahl der JTBDs basiert auf Kriterien wie hohen Ausgaben für hochqualifizierte Arbeitskräfte, dem Potenzial für eine 10-fache Leistungssteigerung durch KI, Bereichen mit niedriger Softwarenutzung und gut verstandenem regulatorischen Risiko. Wichtig ist auch, dass sich die KI-Lösungen in etablierte Einnahmequellen und finanzielle Anreize einfügen.
Einige JTBDs haben es aufgrund dieser Kriterien nicht auf die Liste geschafft, können aber an Bedeutung gewinnen, sobald sich Technologie, finanzielle Rahmenbedingungen und regulatorische Grundlagen weiterentwickeln.
Abschließend betonen die Autoren, dass erfolgreiche Unternehmen im Bereich der KI im Gesundheitswesen nicht nur die neuesten KI-Fortschritte nutzen, sondern auch über eine nachhaltige Markteinführungsstrategie verfügen sollten. Sie sehen einen dringenden Bedarf für Unternehmer, die Lösungen für Skalierbarkeit und Kostenstrukturprobleme entwickeln, die einzigartig mit KI adressiert werden können. Der Artikel kündigt an, dass Teil B der Serie Einblicke von den Käufern von KI-Lösungen im Unternehmensgesundheitswesen bieten und Verteidigungsfähigkeit, Preisgestaltung und Verpackung dieser KI-Lösungen diskutieren wird.
Den vollständigen Artikel kann man hier lesen: https://a16z.com/commercializing-ai-in-healthcare-the-jobs-to-be-done/
Integration als Kern des Designs bei digitalen Gesundheitsanwendungen
In einem Artikel, mitverfasst von der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), betonen wir die Notwendigkeit der Integration in Healthcare-Startups von Beginn an. Wir erinnern daran, dass eine Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen integriert sind, ein erstrebenswertes Ziel ist, und zitieren von Weizsäcker: „Es ist normal, verschieden zu sein.“ Digitale Gesundheitsanwendungen sollten daher Teilhabe und Inklusion fördern.
Die Tech-Branche weltweit wird dazu aufgefordert, inklusive Produkte zu schaffen. In Deutschland jedoch wird integratives Design im Gesundheitssektor oft vernachlässigt oder auf später verschoben. Dabei ist es ein wesentlicher Bestandteil des User Experience (UX) Designs. Ein Design, das nicht alle Nutzergruppen einbezieht, riskiert, bestimmte Personen auszuschließen.
Wir erläutern, dass integratives Design über die Reduktion von Zugangsbarrieren hinausgeht und die Bedürfnisse von Nutzer:innen berücksichtigt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer unterdrückten Gruppe oder Minderheit oft ausgeschlossen werden. Jeder, der am Design eines digitalen Produkts beteiligt ist, trägt Verantwortung für dessen soziale Auswirkungen.
Um Produkte zu gestalten, die allen das Gefühl geben, willkommen und geschätzt zu sein, schlagen wir verschiedene Strategien vor:
- Diversität im Team, um Vorurteile und beschränkte Sichtweisen zu erkennen.
- Nutzer:innen einbeziehen, insbesondere jene mit besonderen Bedürfnissen.
- Zugänglichkeitsstandards nutzen, wie die Web Content Accessibility Guidelines oder Googles Material Design.
- Willkommen heißende Bildersprache durch Abstraktion und Diversifikation.
- Inklusive Texte, die einfach und verständlich sind.
- Formulare, die kurz und dennoch aussagekräftig sind und die Nutzer sich verstanden fühlen lassen.
- Sprachgesteuerte Interfaces, die sensibel mit Akzenten und Stimmgeschlecht umgehen.
Wir betonen, dass im Gesundheitswesen Integration ein klarer Teil der Innovationsprozesse sein muss, um niemanden auszuschließen. Ziel ist es, intuitive und sichere Lösungen durch smartes Design zu entwickeln – ein Merkmal vieler erfolgreicher Unternehmen.
Hier ist der Artikel aus dem Handelsblatt https://www.handelsblatt.com/inside/digital_health/gastbeitrag-digitale-anwendungen-muessen-barrierefrei-sein/28294868.html
Gesundheitsdienste im Chaos
Laut einem Bericht von "The Economist" befinden sich die Gesundheitssysteme vieler reicher Länder trotz der Entspannung der COVID-19-Situation näher am Zusammenbruch als je zuvor seit Beginn der Pandemie. Die Zeitschrift hat eine Vielzahl von Statistiken aus verschiedenen Ländern analysiert, um ein Bild von der aktuellen Lage zu zeichnen. Insbesondere in Großbritannien ist der National Health Service (NHS) stark belastet. Die Wartezeiten für ambulante Notfälle, einschließlich Schlaganfall- und Herzinfarktpatienten, haben sich von durchschnittlich 20 Minuten auf über eineinhalb Stunden erhöht.
Auch in anderen Ländern gibt es ähnlich beunruhigende Trends. Eine globale Umfrage von Ipsos zeigt, dass die Zufriedenheit mit lokalen Gesundheitsdiensten in nahezu allen reichen Ländern zurückgegangen ist. In Italien beispielsweise sind die Wartelisten für nicht dringende medizinische Untersuchungen wie Brustultraschall in manchen Städten auf bis zu zwei Jahre angestiegen.
Selbst in Ländern mit reichen und kompetenten Gesundheitssystemen wie der Schweiz und Deutschland gibt es Engpässe bei der Intensivpflege. In Singapur hat sich die Wartezeit in Polikliniken von neun auf dreizehn Stunden erhöht. Die USA schneiden im Vergleich besser ab, erleben jedoch auch eine zunehmende Belegung von Krankenhausbetten und Belastung der pädiatrischen Stationen.
Diese Probleme sind nicht auf mangelnde Finanzierung zurückzuführen. Die Gesundheitsausgaben in den OECD-Ländern liegen nahe bei 10% des BIP, wobei 18 der 20 Länder mit Daten für 2021 mehr pro Person ausgaben als je zuvor. Die Herausforderung scheint eher in der Effizienz zu liegen. In vielen Bereichen wird trotz höherer Mitarbeiterzahlen weniger geleistet.
Eine zusätzliche Belastung für das Gesundheitswesen ist die Erschöpfung des Personals nach drei anstrengenden Jahren. Die Produktivität hat zwar abgenommen, ist aber nicht in dem Maße eingebrochen, wie es nötig wäre, um das Chaos zu erklären. Der wahre Grund für die Probleme scheint in der explodierenden Nachfrage zu liegen. Durch die Lockdowns wurden viele Erkrankungen nicht diagnostiziert und behandelt, und nun holen die Menschen die Versäumnisse nach. So ist die Zahl der Krebsdiagnosen in Italien im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren um etwa 40% gesunken.
Zusammengefasst steht die Gesundheitsversorgung vor einer großen Herausforderung: Die Nachfrage nach medizinischer Hilfe steigt, während die Systeme unter einer Kombination aus Pandemiefolgen und strukturellen Ineffizienzen leiden.
Hier ist die Quelle: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/01/15/why-health-care-services-are-in-chaos-everywhere
Die Revolution der Arzneimittelforschung durch KI
In einem Gespräch zwischen Vijay Pande von Andreessen Horowitz und Daphne Koller, Gründerin und CEO von Insitro, entfaltet sich eine Vision, wie Künstliche Intelligenz (KI) die Arzneimittelforschung revolutionieren könnte. Koller, eine Pionierin im Bereich der KI und Mitbegründerin von Coursera, sieht in den Life Sciences eines der wichtigsten und herausforderndsten Felder unserer Zeit, besonders unter dem Aspekt, menschliche Gesundheit sicher und effektiv zu verbessern. Für sie ist der Zeitpunkt für einen solchen Fortschritt gekommen, da wir nun in der Lage sind, biologische Prozesse im großen Maßstab zu messen und zu quantifizieren.
Insitro nutzt eine "Datenfabrik", um pluripotente Stammzellen zu untersuchen und daraus zelluläre Modelle zu generieren, die Krankheitsmutationen aufzeigen und zu neuen Erkenntnissen in der Krankheitsbekämpfung führen. Koller erklärt, dass diese Fähigkeit, Daten spezifisch zu generieren, einzigartige Möglichkeiten für die Life Sciences und für KI-Probleme bietet, wie etwa aktives Lernen und experimentelles Design.
Das Ziel ist es, ein umfassendes Modell – vergleichbar mit großen Sprachmodellen (LLMs) für natürliche Sprachen – für die Biologie zu entwickeln, welches die Unterscheidung zwischen Krankheit und Gesundheit ermöglicht und das Verständnis für die Grundlagen der Biologie verbessert. Dies würde nicht nur für zelluläre Daten gelten, sondern auch für klinische Daten und könnte dazu führen, dass wir die Sprachen verschiedener biologischer Modalitäten lernen und zwischen ihnen übersetzen können.
Die Vision ist, dass bis Ende des Jahrzehnts ein systematischer Prozess etabliert wird, der von der Entscheidung, an einer bestimmten Krankheit zu arbeiten, bis hin zur Entwicklung einer sinnvollen Intervention führt. Gleichzeitig wird die kontinuierliche Verbesserung biologischer Werkzeuge wie CRISPR das Spektrum der behandelbaren Krankheiten erweitern.
Koller betont die Komplexität biologischer Experimente und die Notwendigkeit, diese durch den Einsatz von KI und Automatisierung zu standardisieren. Sie hebt hervor, dass die wirkliche Herausforderung und zugleich das Potenzial darin liegt, wenn KI beginnt, die physische Welt zu berühren, wie zum Beispiel in der Landwirtschaft, Umwelttechnik oder im Materialwesen.
Zusammenfassend zeigt das Gespräch zwischen Pande und Koller, dass die Verbindung von KI und Life Sciences eine Ära der "digitalen Biologie" einläuten könnte, die das Potenzial hat, nicht nur die Arzneimittelforschung, sondern auch andere Bereiche wie die Landwirtschaft und den Umweltschutz grundlegend zu verändern.
Hier ist das Interview zu sehen: https://a16z.com/digital-biology/
Datenstrategien im digitalen Zeitalter: Eine kritische Betrachtung
In einem gemeinsamen Artikel mit Paul von Bünau, Gründer von IdaLab, hinterfragen wir die weit verbreitete Annahme, dass Daten das "neue Öl" seien. Wir kritisieren die simplizistische Sichtweise, die besagt, dass mehr Daten automatisch zu besseren Services, mehr Kunden und somit zu einem sich selbst verstärkenden Wachstum des Unternehmenswertes führen.
Wir argumentieren, dass diese Analogie irreführend ist, da sie die ökonomische Logik von Daten missversteht. Anders als Öl, das relativ einheitlich und vielseitig einsetzbar ist, sind Daten heterogen und ihr Wert ist ohne spezifische Anwendung nicht denkbar. Zudem gibt es keinen einheitlichen Qualitätsbegriff für Daten und die Übertragbarkeit von Daten für unterschiedliche Zwecke ist nicht garantiert.
Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass bei Daten im Gegensatz zu Öl negative Skaleneffekte auftreten: Speicherung und Verarbeitung von Daten werden mit zunehmender Menge teurer und komplexer. Daten verlieren oft schnell an Wert und der Grenznutzen zusätzlicher Datenmengen nimmt ab, da die Verbesserung von algorithmischen Systemen nur bis zu einem bestimmten Punkt mit mehr Daten steigt und der Long-Tail-Effekt auftritt, bei dem seltene Fälle nur schwer automatisierbar sind.
Wir stellen auch die Annahme infrage, dass Daten einen Schutzwall gegen Wettbewerber darstellen könnten. Daten sind nicht so leicht monopolisierbar, und politische Initiativen zur Verhinderung von Datenmonopolen in Europa sind aus gesellschaftlicher Sicht zu begrüßen und können den Wirtschaftsstandort verbessern.
Für eine tragfähige Datenstrategie empfehlen wir, sich von irreführenden Metaphern zu lösen und einen realistischen Blick auf die Rolle von Daten und KI zu werfen. Statt einer reinen Datensammlung sollten Unternehmen ihre übergeordnete Strategie, Kunden und den Markt in den Fokus nehmen und überlegen, welchen Mehrwert sie erzeugen wollen und wie Daten und Algorithmen dabei unterstützen können.
Abschließend warnen wir davor, aus kurzfristigen Enttäuschungen über die Geschwindigkeit von Erfolgen mit Daten und KI vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Wir erinnern an die Worte des Zukunftsforschers Roy Amara, dass die Auswirkungen von Technologien kurzfristig oft überschätzt, langfristig jedoch unterschätzt werden. Wir betonen, dass die langfristigen Auswirkungen der Automatisierung und Skalierung kognitiver Arbeit durch KI-Technologie dramatisch sein werden.
Den Original-Artikel kann man hier lesen: https://background.tagesspiegel.de/gesundheit/daten-sind-nicht-das-neue-oel
Digitale Transformation im Biotech-Sektor: Eine Marktanalyse von Vijay Pande, A16Z
Vijay Pande von A16Z liefert eine fundierte Analyse über die Gründe und den optimalen Zeitpunkt für die Einrichtung eines spezialisierten Bio-Fonds. Er betont, dass Gesundheit auf einer fundamentalen Ebene von großer Bedeutung ist und gleichzeitig enorme Marktchancen bietet. Mit einem Vergleich zwischen dem Werbebudget von Google und dem US-Gesundheitsbudget unterstreicht er das immense Potential für Start-ups im Gesundheitssektor.
Vijay weist darauf hin, dass aktuelle Entwicklungen in der Rechenleistung und Datenspeicherung es ermöglichen, große Datenmengen zu analysieren und tiefes Lernen anzuwenden, was in der Biotechnologie als eine Art eigene Moore'sche Gesetzmäßigkeit angesehen werden kann. Die Kosten für genetische Sequenzierung nähern sich Null, und dies sogar schneller als die technologische Verbesserung nach Moore’s Gesetz.
Er erläutert, wie maschinelles Lernen und KI in den Biotech-Bereich integriert werden können, insbesondere durch die Verbesserung der Bilderkennung in der Medizin, was weitreichende Anwendungen in der Radiologie, Dermatologie und Ophthalmologie ermöglicht. Diese Technologien sollen jedoch nicht dazu dienen, Ärzte zu ersetzen, sondern ihre Arbeit zu unterstützen und zu beschleunigen, damit sie sich auf komplexere und wichtigere Aufgaben konzentrieren können.
Vijay beschreibt, wie maschinelles Lernen nicht nur die Arbeit schneller und günstiger macht, sondern auch die Qualität der Medizin verbessert. Dieser Ansatz könnte zu bahnbrechenden Entwicklungen in der diagnostischen Genauigkeit und Behandlungsqualität führen und gleichzeitig die Türen für große Unternehmen öffnen.
Die Infrastruktur, die Start-ups im Biotech-Bereich zur Verfügung steht, ist vergleichbar mit dem AWS-Moment für webbasierte Start-ups. Echtwelt-Experimente können nun in einer cloud-ähnlichen Weise durchgeführt werden, was bedeutet, dass frühe Produkt-Markt-Anpassungen schneller erreicht werden können und gleichzeitig neue Möglichkeiten eröffnet werden, die zuvor nicht möglich waren.
Er spricht auch über die Bedeutung der Reproduzierbarkeit und Genauigkeit in der wissenschaftlichen Forschung, die durch computergesteuerte Robotik in der Cloud-Biologie verbessert werden kann. Dies ermöglicht eine präzisere Steuerung der Experimente und könnte eine industrielle Revolution in der Biologie bedeuten.
Vijay hebt hervor, dass der Fonds sich auf "digitale Therapeutika" konzentriert, die sich auf Verhaltensänderungen zur Behandlung von Verhaltensproblemen konzentrieren, wie zum Beispiel Typ-2-Diabetes oder Raucherentwöhnung. Diese digitalen Ansätze haben das Potenzial, traditionelle Behandlungsmethoden zu ergänzen oder zu ersetzen und Gesundheitslösungen effizienter und skalierbarer zu machen.
Abschließend betont Vijay, dass die Strategie des Bio-Fonds darauf abzielt, Softwareunternehmen im Biotech-Bereich zu finanzieren, was sich von traditionellen Biotech-Unternehmen unterscheidet, die wenig bis keine Software einsetzen. Er zieht eine Parallele zu Erooms Gesetz, das eine exponentielle Kostensteigerung bei der Arzneimittelentwicklung beschreibt, im Gegensatz zu Moore's Gesetz, das die sinkenden Kosten der Rechenleistung beschreibt. Dieser Ansatz soll sich auf Technologien konzentrieren, die von der sinkenden Rechenkostenkurve profitieren.
Insgesamt vermittelt Vijay Pande eine klare Vision für die Zukunft des Biotech-Sektors, die stark von Software und Computertechnologie angetrieben wird und das Potenzial hat, die Gesundheitsversorgung grundlegend zu verbessern.
Hier ist das Original-Interview: https://a16z.com/when-software-eats-bio/
Multimodale Künstliche Intelligenz – Ein Wirtschaftswandel steht bevor
Die neuesten KI-Tools wie ChatGPT, die das Web seit ihrer Einführung im November erobert haben, könnten laut einem Artikel aus The Economist die Produktivität von Arbeitnehmern erheblich steigern oder sie gar ersetzen. Diese Technologien gelten als allgemeine Basistechnologie, ähnlich wie Dampfmaschinen, Elektrizität und Computer, und haben das Potenzial, die Produktivität in einer Vielzahl von Branchen und Berufen zu steigern.
Timothy Bresnahan und Manuel Trajtenberg beschrieben 1995 allgemeine Basistechnologien als Innovationen, die in vielen Industrien eingesetzt werden, ein inhärentes Potenzial für kontinuierliche Verbesserungen besitzen und zu weiteren Innovationen in den sie nutzenden Industrien anregen. KI wird bereits weitreichend eingesetzt, verbessert sich stetig und findet immer mehr Anwendung in Forschung und Entwicklung.
Die Geschichte lehrt jedoch, dass selbst die leistungsfähigsten Technologien Zeit benötigen, um eine Wirtschaft zu verändern. James Watts Dampfmaschine wurde 1769 patentiert, aber es dauerte Jahrzehnte, bis sie die Wasserkraft übertraf. Ähnlich verhielt es sich mit der Elektrifizierung und der Computertechnologie, bei denen erst Jahre nach den Schlüsselinnovationen ein Produktivitätsboom einsetzte.
Die Kluft zwischen Innovation und wirtschaftlicher Auswirkung liegt teilweise an der Feinabstimmung. Frühe Dampfmaschinen waren ineffizient und der Einsatz von KI-Tools hat sich im Vergleich zu den Anfängen vor etwa einem Jahrzehnt stark verbessert. Kapitalbeschränkungen können ebenfalls die Einführung neuer Technologien verlangsamen.
Neuere Studien betonen die Zeit, die benötigt wird, um das erforderliche immaterielle Kapital anzusammeln, also das grundlegende Know-how, um neue Technologien effektiv zu nutzen. Störende neue Technologien können sogar zu einem vorübergehenden Rückgang des gemessenen Produktivitätswachstums führen, da Unternehmen und Arbeitnehmer Zeit und Ressourcen investieren müssen, um die Technologie zu studieren und Geschäftsprozesse um sie herum zu entwerfen.
Was die Auswirkungen von KI auf die Arbeitnehmer betrifft, so sind die historischen Botschaften gemischt. Obwohl technologischer und wirtschaftlicher Wandel stattgefunden hat, wurden Befürchtungen einer massiven technologischen Arbeitslosigkeit nie Realität. Technologie kann jedoch einzelne Berufe belasten und sozial disruptive Auswirkungen haben. Im frühen Industriezeitalter erhöhte die Mechanisierung die Nachfrage nach ungelernten Arbeitern, während sie die Einkommen von Handwerkern drastisch senkte. In den 1980er und 1990er Jahren verdrängte die Automatisierung von Routinearbeiten viele Arbeiter mittlerer Qualifikation, während sie die Beschäftigung für hoch- und gering qualifizierte Arbeiter steigerte.
KI könnte die Produktivität von Arbeitnehmern aller Qualifikationsstufen steigern. Doch ob dies zu einem Anstieg der Nachfrage führt, hängt davon ab, ob verbesserte Produktivität und geringere Kosten einen großen oder nur einen geringen Nachfrageanstieg zur Folge haben. Wenn beispielsweise KI die Produktivität und Kosten in der Medizin senkt, könnte dies zu einer viel höheren Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen und Fachkräften führen.
Es besteht die Möglichkeit, dass leistungsstarke KI das historische Muster durchbricht. Eine Technologie, die fast jede Aufgabe bewältigen kann, würde die Menschheit in unbekanntes wirtschaftliches Gebiet führen. Doch selbst in einem solchen Szenario bietet die Vergangenheit einige Lehren. Das anhaltende Wirtschaftswachstum, das mit der Dampfmaschinen-Revolution einherging, und die weitere Beschleunigung, die mit der Elektrifizierung und anderen späteren Innovationen einherging, waren selbst beispiellos. Sie veranlassten einen enormen Ansturm, um neue Ideen und Institutionen zu erfinden, damit radikaler wirtschaftlicher Wandel zu weit verbreitetem Wohlstand statt zu Chaos führte. Es könnte bald wieder Zeit sein, sich neu zu sortieren.
Hier ist der Artikel: https://www.economist.com/finance-and-economics/2023/02/02/the-ai-boom-lessons-from-history
Multimodale Künstliche Intelligenz eröffnet neue Dimensionen in der Medizin
In seiner jüngsten Analyse beleuchtet der renommierte Mediziner Eric Topol die sich abzeichnenden Möglichkeiten multimodaler Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin. Er hebt hervor, wie Maschinen durch fortschrittliche Deep-Learning-Modelle in der Lage sind, medizinische Bilder – von Röntgenaufnahmen bis hin zu Retinafotos – präzise zu interpretieren und dabei Merkmale zu erkennen, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben.
Topol betont, dass diese Entwicklungen weit mehr als nur eine technologische Neuerung darstellen: Sie sind der Vorbote einer umfassenden Transformation der medizinischen Praxis. Mit der Fähigkeit, nicht nur Bilder, sondern auch Text und Sprache zu verarbeiten, ermöglicht die multimodale KI eine tiefgreifende Analyse und Integration verschiedenster Datenströme.
Die Implementierung selbstüberwachter und unüberwachter Lernverfahren, wie sie für die Entwicklung von Großen Sprachmodellen (LLMs) wie GPT-4 verwendet wurden, hat die Notwendigkeit der manuellen Datenannotation überflüssig gemacht. Diese Lernmodelle, die auf einer Fülle von Daten basieren, ermöglichen es, komplexe multimodale Aufgaben zu bewältigen, welche die Grenzen herkömmlicher Methoden sprengen.
Topol gibt zu bedenken, dass der Einsatz von KI in der Medizin weit über die Diagnose und Behandlung hinausgeht. Virtuelle Gesundheitsassistenten und "Kliniken-zu-Hause"-Konzepte könnten bald Realität werden, indem sie präzise und personalisierte Gesundheitsversorgung anbieten. Dabei stellen sich jedoch Herausforderungen wie Datenbias und Datenschutz, die es zu überwinden gilt.
Abschließend stellt Topol klar, dass die außergewöhnlichen Fortschritte in der Rechenleistung und im maschinellen Lernen es ermöglichen, medizinische Anwendungen in einer Art und Weise zu entwickeln, die bisher unvorstellbar waren. Er sieht eine Zukunft voraus, in der LLMs in der Medizin eine Rolle spielen werden, die weit über ihre aktuellen Anwendungsbereiche hinausgeht.
Hier geht es zum vollständigen Artikel: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adk6139